Penicillium chrysogenum Thom (1910)
Der Name Alexander Fleming dürfte selbst den Nicht-Biologen unter uns ein Begriff sein. Alexander Fleming ist derjenige, der durch Zufall das Penicillin und damit eines der bedeutendsten Antibiotika der Menschheit entdeckt hat. Nicht umsonst unterscheidet man die Medizin gern in eine Zeit vor und nach der Entdeckung und kommerziellen Nutzung von Antibiotika. Doch wie hängt das mit unserem hier betrachteten Penicillium chrysogenum zusammen?

Der Pinsel zu Flemings Durchbruch
Alexander Fleming war in seinem berühmten „fehlgeschlagenen“ Experiment (im September 1928) eigentlich an der Untersuchung von Staphylokokken interessiert. Reinkulturen dieses Bakterienstammes, die länger stehen blieben, wiesen nach einer gewissen Zeit eine ärgerliche Kontamination auf. Ein Schimmelpilz hatte sich auf die Agarplatten geschlichen und sorgte bei näherer Betrachtung für eine erstaunliche Veränderung des Wachstumsverhaltens der Staphylokokken. Das sonst so potente Wachstum der Bakterienkultur wurde im nahen Umfeld zum Schimmelpilz unterbunden. Und noch mehr, an bereits bewachsenen Stellen führte die Schimmelpilz-Kontamination zu einem Rückgang der Bakterien. Der Schimmelpilz konnte folglich das Wachstum der Bakterien beeinflussen. Eine Erkenntnis die zu diesem Zeitpunkt in der Wissenschaft weitestgehend unbekannt und erst recht nicht verstanden war.
Die Kontamination ging von einem Pilz mit dem damaligen Namen Penicillium notatum aus. Hierbei handelt es sich, nach heutigem Erkenntnisstand, um ein anerkanntes Synonym des hier näher betrachteten Penicillium chrysogenum, der ein wenig trivial beschrieben zu den Pinselpilzen zählt, weil die Form von Sporenträgern manchmal an einen Pinsel erinnert. In Anlehnung an die Schimmelpilzgattung wurde das neu entdeckte Antibiotikum bekanntermaßen als Penicillin beschrieben, ist aber erst 1942 unter dem Druck des zweiten Weltkrieges, als Medizinprodukt zugelassen worden.
Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Fleming nicht der erste war, der die antibakterielle Wirkung von Penicillin entdeckte. Erstmals wird 1870 davon berichtet, nur war zu dieser Zeit die Wissenschaft nicht in der Lage das neue Wissen gerichtet einzusetzen (siehe hierzu www.dpma.de; Stand 08.2025). Noch heute, nahezu 100 Jahre später gehört Penicillium chrysogenum zu einem der absoluten Modelorganismen in der Mykologie an dem zahlreiche Sekundärmetabolite untersucht und Genomprojekt durchgeführt werden.
Von den mittlerweile ca. 5500 bekannten Antibiotika (Stand 08.2025) besitzen etwa 160 eine offizielle Zulassung als Medizinprodukt. Noch heute werden wichtige Substanzen dieser Medizinprodukte wie beispielsweise das Griseofulvin, Fusidan oder auch Cephalosporin von Schimmelpilzen produziert. Dieses Wissen, in Kombination mit den schönen Aufnahmen von Penicillium chrysogenum, hilft vielleicht dabei, diesen „Innenraumschädling“ nicht nur von seiner negativen Seite zu betrachten, sondern dem Schimmelpilz ein wenig mehr von der positiven Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient.
Zum Abschluss noch ein kleiner Exkurs in die Welt der Mikroorganismen.
Warum produzieren Schimmelpilze und Bakterien so häufig Substanzen, die gegen ihresgleichen oder andere Mikroorganismen wirken? Stark vereinfacht betrachtet handelt es sich hierbei um Konkurrenzvermeidungsstrategien und den Versuch die stets limitierten Ressourcen wie Nährstoffe, Platz und Wasser gegen andere zu verteidigen. Aufgrund der eingeschränkten Mobilität sind Bakterien, Pilze und auch Pflanzen auf chemische Interaktionen mit der Umwelt angewiesen, um sich gegen Konkurrenten durchzusetzen. Anhand der Bakterien sei dabei ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal verdeutlicht, dass auch bei vielen modernen Desinfektionsmitteln entscheidend ist. Bakteriostatische Substanzen hemmen das Wachstum von Bakterien und können diese in extremen Fällen auch abtöten. Bakteriolytische Substanzen töten Bakterien immer ab und lösen zudem die Zellen auf. Bei der Bekämpfung von Schimmelpilzschäden im Innenraum ist je nach Kontext ein lytisches Produkt eher zu empfehlen, da so die Allergenen Sporen entfernt werden. Aber Achtung, die Zersetzung der Zellen kann zur vermehrten Freisetzung von Mykotoxinen führen.
Bild 1) Vorderseite einer Penicillium chrysogenum Reinkultur auf MEA-Agar die für acht Tage bei 25 °C inkubiert wurde.
Die morphologische Identifizierung ist möglich unter Einsatz der Direktmikroskopie, es bedingt den Nachweis der ter- oder quarterverticillaten Sporenträger in Kombination mit den vgls. großen Kolonien und den hier im Bild hellgelben Exsudaten. Diese Exsudate können je nach Medium stärker gelb gefärbt sein. Alle drei Kolonien weisen den typischen weißen Rand aus sterilem Myzel auf, bei dem die Sporenproduktion aufgrund des Alters noch nicht begonnen hat. Interessant zu sehen, ist die Reaktion der drei Kolonien aufeinander. Das Konzentrische Wachstum wird dort, wo die Kolonien aufeinandertreffen aufgebrochen. Vermutlich sorgen die abgegebenen Exsudate auch bei anderen Schimmelpilzen für eine Wachstumshemmung.
Bild 2) Vorderseite einer Penicillium chrysogenum Reinkultur die für acht Tage auf DG18-Agar inkubiert wurde.
Die Kolonie ist ähnlich groß wie auf MEA, zeigt jedoch hier weniger Exsudate-Tröpfchen an und es bilden sich im Zentrum kleine Luftmyzel-Ballungen. Insgesamt hat die Kolonie ein samtartiges Erscheinungsbild. Trotz der Länge der Sporenträger (bis zu 500µm) ragt die Kolonie jedoch nicht besonders weit vom Agarboden empor. Die bei MEA beobachtete gegenseitige Hemmung (vermutlich Exsudat bedingt) findet auf DG18 höchstens in Ansätzen statt.
Taxonomie:
Seit der nun offiziell anerkannten Beschreibung durch Thom, im Jahr 1910, folgten nicht weniger als acht weitere Beschreibungen der Schimmelpilzart Penicillium chrysogenum. Hinzu kommen diverse morphologische und orthographische Varianten, die die Taxonomie noch unübersichtlicher gestalten (Quelle Mycobank.org Stand 08.2025). In der dritten Auflage vom Food and Indoor Fungi sind sogar insgesamt vierzehn Artbeschreibungen unter Penicillium chrysogenum subsumiert. Besonders interessant sind drei Veröffentlichungen aus dem Jahr 1901 in der Fachzeitschrift Annales de la Société scientifique de Bruxelles. Hierin wurde die heutige Art Penicillium chrysogenum gleich drei Mal, von ein und demselben Autor (Dierckx), unter drei unterschiedlichen Namen beschrieben. Ob es sich dabei wirklich um die irrtümliche Interpretation der phänotypischen Plastizität oder nicht vielleicht doch um einen Versuch handelt die Anzahl der eigenen Veröffentlichungen zu steigern, lässt sich rückwirkend nicht mehr klären. Fest steht, dass in der Zeit vor den molekularen Artbeschreibungen, der hochauflösenden Mikroskopie und nicht zuletzt auch dem Internet, dass Fachliteratur leichter zugänglich macht, es schwer war einen Überblick über bereits beschriebene Schimmelpilze zu erhalten. Wir lassen an dieser Stelle die reine Anzahl von insgesamt vierzehn Artbeschreibungen schon als ein Indiz für die Häufigkeit und die wissenschaftliche Relevanz von Penicillium chrysogenum gelten. Dies wird gestützt durch die insgesamt ca. 78 Stämme und ca. 85 Genome von Penicillium chrysogenum, die allein bei der CBS-Datenbank (Centraalbureau voor Schimmelcultures) hinterlegt sind (Quelle Mycobank.org Stand 08.2025).
Routineanalytik:
In der Routineanalytik zählt die Art Penicillium chrysogenum zu den anerkannten Feuchtigkeitsindikatoren. Die Art ist mit einem aW-Wert von 0,78 - 0,81 beschrieben und kommt damit auf feuchten Materialien vor (Schimmelleitfaden vom Umweltbundesamt 2024). Die Tatsache, dass Penicillium chrysogenum sowohl halo- (Salz-) als auch psychrotolerant (Kältetolerant) ist und auf so gut wie jedem kohlenhydrathaltigen Lebensmittel gefunden werden konnte, zeigt eine enorme ökologische Vielseitigkeit an (Food and Indoor Fungi 3rd Edition). Das selbst getrocknete Lebensmittel kein Hindernis für einen Befall darstellen zeigt, dass Penicillium chrysogenum nicht nur bei feuchten, sondern auch sehr trocknen Umgebungsbedingungen vorkommen kann. Übertragen auf die Relevanz bei Innenraumschäden kann dies auf einen sehr widerstandsfähigen Schimmelpilz hinweisen, der auch bei Bauschäden mit stark wechselndem Feuchtigkeitsgehalt vorkommen und persistieren kann. Als Vorteil im Vergleich zu manch anderen Schimmelpilzen erweist sich hierbei die vgls. hohe Wachstumsgeschwindigkeit (zumindest unter Laborbedingungen) und die sehr starke Sporenproduktion an den ter- bis quarterveticillaten (Erläuterung der Fachbegriffe findet sich unter Abb. 3) und sehr langen (bis zu 500µm) Sporenträgern. Lange Sporenträger begünstigen vermutlich die Anemochorie (Windverbreitung) der Sporen und die vielseitige und starke Verzweigung der Sporenträger birgt mehr Platz für sporenproduzierende Phialiden.
Zusammengefasst handelt es sich bei Penicillium chrysogenum um einen sehr ausbreitungsstarken und anpassungsfähigen Schimmelpilz, dessen Nachweis in Laborproben enorm wichtig ist, da der positive Nachweis die Beurteilung eines Schimmelschadens in Innenräumen durchaus beeinflussen kann.
Neben dem Hinweis auf feuchtes Baumaterial (betroffen sind Gips, Kalk, Zement oder Holz), verschimmelter Blumenerde oder aber auch verschimmelte Lebensmittel spielt Penicillium chrysogenum im Innenraum noch eine weitere entscheidende Rolle. Als Stoffwechselprodukte werden unter anderem Oxal-, Zitronen- und Gluconsäure produziert und als Sekundärmetabolite über die Exsudate an das umgebende Medium abgegeben. Die genannten Säuren können in erhöhter Konzentration und bei entsprechend großem Befall zu einer permanenten Entfärbung von betroffenen Baumaterialien führen. Die Farbpigmente können dabei zerstört oder chemisch so gebunden werden, dass sie andere Eigenschaft bei der Lichtbrechung aufweisen. Insbesondere die in Farben und Lacken verwendeten Eisenoxide sind betroffen. Es kommt durch den Befall und der damit verbundenen chemischen Reaktion zu einer Aufhellung der Baumaterialien die auch ohne Messgerät sichtbar ist und vor allem auch nach Beseitigung des eigentlichen Schimmelschadens bestehen bleibt.
Noch schwerwiegender können Schäden auf Kalkputzen sein, die durch die chemische Einwirkung von organischen Säuren an Festigkeit verlieren können.
Medizinische Relevanz:
Die medizinische Prävalenz von Penicillium chrysogenum stellt sich auf einen flüchtigen Blick recht dramatisch dar, weil sogar einzelne sehr wenige tödliche Krankheitsverläufe, im Zusammenhang mit einer Infektion beschrieben sind. Aber Achtung, hierbei handelt es sich ausschließlich um Einzelfälle die sich über mehrere Jahrzehnte der medizinischen Datensammlung erstrecken und immer in Zusammenhang mit anderen Krankheiten auftraten. In der aktuellen Fassung vom Atlas of clinical Fungi (4th Edition 2020) sind zudem einzelne wenige nachgewiesen Infektionen der Haut, des Gehirns, der Lunge und anderer Organe beschrieben, die sich über mehrere Jahrzehnte hinweg angesammelt haben. Diese Infektionsfähigkeit wird durch ein schwaches Wachstum bei 37°C von einigen wenigen Stämmen gestützt.
In Summe ist Penicillium chrysogenum und die untersuchten Varianten, jedoch in der biologischen Risikogruppe 1 eingestuft. Das heißt es besteht in aller Regel kein nennenswert erhöhtes Infektionsrisiko. Lediglich der Hinweis mit der Subkategorie „A“, dass Allergene Wirkungen auftreten können ist bei der Beurteilung von Innenraumschäden zu beachten (Quelle TRBA 460 2016:07).

Mikroskopische Aufnahme bei 1000-facher Vergrößerung
Die räumliche Tiefe des Sporenträgers macht es schwer eine einheitliche Fokusebene zu finden, bei der möglichst viele Abschnitte scharf zu fotografieren sind. Die räumliche Tiefe wird durch die Tiefenschärfe des gewählten Objektivs begrenzt und umfasst im konkreten Fall wenige Nanometer. Abgebildet ist mittig von rechts kommend ein terverticillater Sporenträger mit vereinzelten Septen. Von unten kommt ein biverticillater Sporenträger hinzu. Die Sporenträger von Penicillium chrysogenum sind häufig terverticillat, können aber auch quarterverticillat und vereinzelt noch komplexer gewachsen sein.
Aber was versteht man eigentlich unter diesen Begriffen? Mit der Angabe „x-verticillat“ wird, ausgehend vom Ansatzpunkt des Sporenträgers am Myzelstrang (häufig über eine Fußzelle), die Anzahl der Sporen bildenden Seitenäste an eben diesem beschrieben. Am konkreten Beispiel des terverticillaten Sporenträgers geht der erste Seitenast nach oben weg, gefolgt von der zweiten Verzweigung nach unten und dem Ende der Hauptachse.
Bei Penicillium chrysogenum sind die Seitenäste in Länge und Anzahl der Metulae gleichwertig zur Hauptachse. Die Sporen werden basipetal durch Phialiden gebildet, die auf Metulae stehen. Zumeist stehen zwei bis drei Phialiden auf einer Metulae. Die Metulae sind länger als die Phialiden. Die Sporen werden in langen Ketten produziert. Die Sporen sind nahezu komplett rund und bis zu 4 µm im Durchmesser. Meist ist die Achse entlang der Sporenkette ein bisschen kürzer als orthogonale dazu. Penicillium chrysogenum reagiert gut auf den verwendeten Farbstoff (Baumwollblau + Shears-Lösung), was sich an der einheitlichen und deutlichen Blau-Färbung zeigt.

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 8062-facher Vergrößerung
Maßstabsbalken und rechts im Bild zeigt 20µm an. Zentral im Bild ist ein terverticillater Sporenträger gezeigt. Weder Sporen noch Sporenträger zeigen eine nennenswerte Ornamentierung auf der Oberfläche. Die Sporen werden in langen Ketten gebildet. Die Präparation muss vorsichtig erfolgen, da die Ketten sonst schnell in kleinere Fragmente zerfallen. Daher können Sporenketten in Partikelmessungen oder Klebefilmpräparaten auch als Anzeichen für eine Sporenbildung im nahen Umfeld der Probenahme betrachtet werden. Bei den Dellen auf den Sporen und dem platten Myzelsträngen handelt es sich Präparationsartefakte, bedingt durch Vakuum und Besputterung.
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