Wissen, was drin ist:

Microascus paisii (Pollacci) Sand.-Den (2015)

Durchsucht man das Internet nach spannenden Einträgen zur Schimmelpilzart Microascus paisii folgt auf eine anfängliche Neugier recht schnell eine große Ernüchterung. Obwohl Microascus paisii bei der Begutachtung von Innenraumschäden durchaus eine relevante Rolle spielt, scheint diese Art in der sonstigen Wissenschaft eher eine Nebenrolle zu besetzen. Die häufigsten Nennungen innerhalb der Literatur beschäftigen sich mit der Revision der Taxonomie basierend auf molekularen Daten und immer neuen Arten die innerhalb der Gattung Microascus ausfindig gemacht werden. Einige wenige Publikationen beschäftigen sich mit der Wirkung von Fungiziden aber im Großen und Ganzen spielt die Art und auch damit verbunden, die Gattung Microascus, eine untergeordnete Rolle in der Wissenschaft. (Stand 08.2025)

Microascus paisii
21.8.2025

Einer von unzähligen

Aber damit ist Microascus paisii nicht allein. Denn wenn man ehrlich ist, wird bei der schieren Anzahl an beschriebenen und unbeschriebenen Arten von Pilzen es schwer möglich sein, alle jemals vollumfänglich zu untersuchen und jeden Pilz einer eingehenden Prüfung hinsichtlich seines Nutzens für die Menschheit oder sei es der Umwelt zu unterziehen. Derzeit sind in etwa 150.000 Pilze taxonomisch beschrieben und anerkannt. Basierend auf verschiedenen Modellen wird die Gesamtdiversität in konservativen Kreisen auf 2 bis 4 Millionen Arten geschätzt (Hawksworth und Lücking 2017). Andere gehen von einer Gesamt Diversität mit mehr als 10 Millionen Arten aus. Wie viele Arten es am Ende genau sind, werden wir vermutlich nie genau erfahren. Hier spielt nicht nur der erschwerte Nachweis aufgrund der geringen Größe eine entscheidende Rolle oder kryptische Arten (morphologisch nicht zu unterscheiden), sondern auch die Tatsache das weitbekannte Artkonzepte bei Mikroorganismen wie Bakterien, Hefepilze und Schimmelpilze nicht so sauber greifen, wie sich die Wissenschaft das gern wünscht. Molekular differenzierbare Arten sind häufig nicht so stark durch die diversen Reproduktionsbarrieren von einander getrennt, wie wir dies vielleicht aus dem Reich der Säugetiere und von manchen Pflanzen gewohnt sind. Hierdurch kommt es deutlich schneller zur Hybridisierung. Die damit verbundene Neukombination von Merkmalen führt mittelfristig zu einem enormen evolutiven Vorteil, da es Mikroorganismen möglich ist sich deutlich schneller an wechselnden Umweltbedingungen anzupassen. Es führt aber auch langfristig zur Entstehung von immer neuen Pilzarten.

Bei der Begutachtung von Innenraumschäden hinsichtlich ihrer mikrobiellen Belastung und der Interpretation eines von Laboren ermittelten Art- und Gattungsspektrum ist dabei immer zu berücksichtigen, dass es sich um morphologische Daten handelt. Diese unterliegen aufgrund der methodischen Grenzen einer nicht kalkulierbaren Unschärfe, dass heißt manche Arten werden subsumiert. Molekulare Daten verfeinern zwar die taxonomische Auflösung, sind aber derzeit in Deutschland noch nicht soweit bei der Beurteilung von Innenraumschäden etabliert, dass deren Ergebnisse auf breiter Ebene akzeptiert werden. Hinzu kommt, dass für viele Pilze die essentiellen Metadaten wie, Wasseranspruch, Temperaturspektrum oder Nährstoff-Präferenzen fehlen, sodass ein reiner Name bei der Begutachtung von Innenraumschäden wenig Nutzen hat.

Bild 1) Vorderseite einer Microascus paisii Reinkultur auf DG18-Agar die für zehn Tage bei 25 °C inkubiert wurde. Die morphologische Identifizierung ist möglich unter Einsatz der Direktmikroskopie. Die Kolonie ist deutlich kleiner als auf MEA und farblos. Es werden weniger typische Sporen an den Anneliden gebildet. Myzel und Sporenträger finden sich eher im Zentrum der Kolonie, wohingegen der Rand häufig hefeartig wächst.

Bild 2) Vorderseite einer Microascus paisii Reinkultur die für zehn Tage auf MEA-Agar inkubiert wurde. Die Kolonie ist deutlich größer und zeigt keine hefeartigen Zellen am äußeren Rand. Das weiße und luftige Myzel bildet zahlreiche Sporenträger. Noch ältere Kolonien schlagen durch eine zunehmende Sporenproduktion ins gräuliche um.

Bild 3) Vorderseite einer Microascus paisii Reinkultur die für zehn Tage auf OA-Agar inkubiert wurde. Die Kolonie bildet am Rand hefeartige Zellen aus, wohingegen in der Mitte sich deutliches und vor allem grau gefärbtes Luftmyzel abhebt. Die Graufärbung nimmt mit dem Alter der Kolonie und Sporenreife zu.

Taxonomie:

Die Schimmelpilzart Microascus paisii erhielt ihren derzeit gültigen und anerkannten Namen (Quelle Mycobank.org; Stand 07.2025) vor vergleichsweise kurzer Zeit, nämlich erst im Jahr 2015, in dem durch Sandoval-Denis und Kollegen eine auf molekulargenetischen Daten beruhende Revision der Gattungen Scopulariopsis, Microascus und anderer nah verwandter Schimmelpilze erschien. Anhand einer umfassenden Multigen-Analyse (4 Marker) wurden mehr als 100 Arten und Stämme untersucht, dabei anhand mono- und polyphyletischer Aufteilungen, alte Gattungen bestätigt oder neue etabliert. Erstmals und rückverfolgbar wird die Art im Jahr 1921 von Pollacci beschrieben, nur um anschließend in den Jahren 1928 und 1934, von demselben Autor, nur mit gänzlich anderer Gattungszuordnung nochmals beschrieben und veröffentlicht zu werden. Diese immer wiederkehrende Neuzuordnung zu anderen Gattungen zeigt, wie enorm schwierig eine rein morphologische Auftrennung der Gattungen Scopulariopsis, Microascus und anderer nah verwandter ist. Interessanterweise wurden die ersten Beschreibungen von Microascus paisii vornehmlich in medizinischen Magazinen veröffentlich, was sich vermutlich auf die pathologische Relevanz dieser Art zurückführen lässt.

Routineanalytik:

In der Routineanalytik zählt die Art Microascus paisii zumindest offiziell nicht zu den anerkannten Feuchtigkeitsindikatoren im Innenraum (Schimmelleitfaden des Umweltbundesamtes 2024; Food and Indoor Fungi 3rd Edition). Die persönliche Erfahrung des Labors, basierend auf der häufig beobachteten Vergesellschaftung mit anerkannten Feuchtigkeitsindikatoren wie bspw. der Gattung Acremonium spp. (teilweise neu als Sarocladium bezeichnet) oder auch dem Artkomplex Aspergillus versicolor, legen jedoch einen aW-Wert von ungefähr 0,8 nahe. Aus dem sich ableitenden hohen Wasseranspruch und nicht zuletzt durch seine medizinische Prävalenz, zählt die Art zu den Schimmelpilzen, deren Nachweis im Innenraum durchaus relevant für die Begutachtung von Gebäudeschadstoffen ist.

Ein Nachweis, der aber seine Tücken haben kann, da Microascus paisii im voll ausgewachsenen Zustand zwar sehr gut zu identifizieren ist, für diesen Status aber in aller Regel 10 bis 14 Tage Inkubationszeit benötigt. In der Routineanalytik werden Proben selten derart lang inkubiert. Allein deswegen, weil andere schnell wachsende Schimmelpilze in dieser Zeit die Platte so stark ausfüllen, dass von den vergleichsweise kleinen Microascus paisii Kolonien nur noch wenig zu erkennen ist. Hieraus leitet sich die Herausforderung an die Labore ab, die Kolonien und Sporen schon in einem sehr frühen Entwicklungsstadium zu erkennen und korrekt identifizieren zu können. Erschwerend kommt hinzu, dass Microascus paisii auf dem Routinemedium DG18 eher schlecht wächst, sodass ein sicherer Nachweis häufig nur über den MEA Agar möglich ist (Bilder 1 , 2 und 3). Ein erneutes Beispiel dafür, warum es in der mykologischen Routineanalytik essentiell ist, beide Nährmedien (MEA und DG18) zu beproben. Eine zweifelsfreie Identifikation dieser Schimmelpilzart ist jedoch essentiell, da sich nah verwandte und morphologisch ähnliche Arten (z.B. aus der Gattung Scopulariopsis) erheblich in ihren physiologischen und pathogenen Eigenschaften unterscheiden und sich dadurch Fehleinschätzungen der Vorort-Situation ergeben würden. Hierzu ist anzumerken, dass sich Microascus paisii morphologisch derzeit nicht zweifelsfrei von der nah verwandten Art Microascus atrogriseus unterscheiden lässt. Es bedarf dazu molekularer Daten.

Ein weiterer Grund für einen zweifelsfreien und sicheren Nachweis von Microascus paisii ist die Regelmäßigkeit des Nachweises in Innenraumproben. Unabhängig ob Klebefilmproben von Materialoberflächen, Schlitz- und Lochimpaktion der Raumluft oder Materialien von Baustoffen, Microascus paisii wird wiederkehrend nachgewiesen. Insbesondere bei nicht kultivierenden Verfahren wie der Schlitzimpaktion (Gesamtsporenmessung / Partikelsammlung) und Klebefilmproben ist der Nachweis von Sporenträgern und die Orientierung der Sporen im Präparat entscheidend und selbst dann, bei optimalen Bedingungen lässt sich häufig nur eine Bestimmung auf Gattungsebene sicher erreichen. Warum spielt die Orientierung der Sporen eine so wichtige Rolle? Die Sporen (siehe Abbildung 4) weisen eine abgeplattete Basis und eine leicht zugespitzte Auswölbung auf der gegenüberliegenden Seite auf. Sind die Sporen leicht gekippt, erscheinen sie vollkommen rund und es besteht die Gefahr die Sporen der Gattung Microascus dem Sporentyp Aspergillus / Penicillium zuzuordnen. Die Kriterien für diesen Sporentyp sind kleine und runde Sporen, die häufig noch kleine Spitzen aufweisen, die jedoch nicht immer aufgrund der räumlichen Orientierung zu erkennen sind.

In Summe zeigt die Schimmelpilzart Microascus paisii eine weltweite Verbreitung und wurde dabei häufig in Boden oder Kompostproben sowie dem Innenraumsektor nachgewiesen. Dies legt auch bei dieser Art eine Rolle als Saprophyt von totem organischen Material nahe. Der Nachweis in Kompostböden stützt sich durch die thermophilen Eigenschaften dieser Art, da das physiologische Wachstumsoptimum bei 30°C erreicht wird. Einige Stämme können auch bei 37°C noch vergleichsweise gut wachsen.

Medizinische Relevanz:

Um die Einstufung von Microascus paisii in biologische Risikogruppen, gemäß TRBA 460 (2016:07) herauszufinden, ist zunächst eine Mycobank Abfrage der gültigen taxonomischen Synonyme notwendig. Denn unter dem derzeit anerkannten Artnamen Microascus paisii findet sich kein Eintrag in der TRBA 460. Wohl aber unter einem der gültigen Synonyme Scopulariopsis brumptii, welches von 1935 bis 2015 die weitläufigste Bezeichnung dieser Art war. Achtung, laut aktueller TRBA 460 handelt es sich bei Scopulariopsis brumptii um das Synonym des heutigen Gliomastix murorum. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Fehler, da Gliomastix murorum aus dem früheren Acremonium murorum hervorging. Für Microascus paisii liegt derzeit keine detaillierte Einstufung in einer der biologischen Risikogruppen vor.

Bei der TRBA 460 handelt es sich allerdings nicht um die einzige und vor allem auch nicht um die aktuellste Quelle, um das Risikopotential von Schimmelpilzen hinsichtlich einer möglichen Infektion von Menschen abzuschätzen. Gemäß dem Atlas of Clinical Fungi (4th Ed. 2020) wurde Microascus paisii in wenigen Fällen bei einer Infektion der tieferen Atemwege oder bei Patienten mit beeinträchtigten Immunsystem, bei denen die zelluläre Antwort nicht korrekt funktioniert (Reaktion der T-Zellen), nachgewiesen. Daraus lässt sich, unter Berücksichtigung der Syntax aus der TRBA 460, eine mögliche Einstufung in die Risikogruppe 1G ableiten (siehe zum Beispiel auch die Einstufung des Artkomplexes Aspergillus versicolor).

ikroskopische Aufnahme von Microascus paisii bei 1000-facher Vergrößerung
21.8.2025

Mikroskopische Aufnahme bei 1000-facher Vergrößerung

Zu erkennen sind diverse kleine Sporencluster, von Sporen ohne auffällige äußere Ornamentierung. Zentral im Bild befindet sich ein Sporenträger mit insgesamt fünf Anneliden, an denen vereinzelte Sporen hängen. Bei Annliden handelt es sich um sporen-produzierende Zellen, die diese Sporen basipetal, durch eine gemeinsame Öffnung, in Ketten abschnüren. Jede Spore die die Annelide verlässt, hinterlässt einen Ring am Ende der Annelide. Durch diesen Effekt werden Anneliden mit dem Alter deutlich größer, da sich mehrere Ringe aneinanderreihen. Einige dürfte der Begriff Annelide bekannt vorkommen, da dieser schon im Schimmel des Monats Februar Scopulariopsis brevicaulis vorgestellt wurde. Im Gegensatz zu den Anneliden von Scopulariopsis brevicaulis, haben diese eine bauchige Basis. Bei einige Sporen ist ein leicht zugespitzter Zipfel am oberen Rand zu erkennen. An der Basis sind die Sporen abgeplattet. Dies ist der Ansatzpunkt zu Annelide respektive der darauffolgenden Spore.

Cladosporium Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 8062-facher Vergrößerung
21.8.2025

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 8062-facher Vergrößerung

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Microascus paisii mit Gold besputtert bei etwa 8062-facher Vergrößerung. Maßstabsbalken und rechts im Bild zeigt 10µm an. Zentral im Bild ist ein Sporenträger mit drei Anneliden gezeigt. Die Sporen knapp oberhalb der Anneliden zeigen deutlich die abgeplattete Basis. Eine nennenswerte Ornamentation der Sporen ist auch im REM nicht zu erkennen. Bei den Dellen und Riefen auf den Sporenhandelt es sich Präparationsartefakte.

5159-facher Vergrößerung
21.8.2025

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme mit Gold besputtert bei etwa 5159-facher Vergrößerung

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Microascus paisii mit Gold besputtert bei etwa 5159-facher Vergrößerung. Maßstabsbalken und rechts im Bild zeigt 10µm an. Zu sehen sind insgesamt fünf Sporenträger an deren Ende eine unterschiedliche Anzahl an Anneliden hängt. Zudem sind vereinzelte Sporenketten zu erkennen. Diese Ballungen von Sporenträgern entlang eines Myzelstranges sind typisch für Microascus paisii. Sie werden häufig in Luftmyzelsträngen gebildet.

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