Aspergillus sydowii – die Grenzen von Habitaten
Habitate spielen nicht nur in der Mykologie, sondern in der gesamten Biologie und genauer gesagt in der Fachrichtung Ökologie eine entscheidende Rolle. Ein Habitat beschreibt den möglichen Lebensraum von Organismen sowohl mit essentiellen als auch obligaten Eigenschaften. Dabei können Habitate beliebig spezifisch beschrieben werden – von groben Unterscheidungen wie terrestrisch oder aquatisch, bis hin zu detaillierten Bedingungen für einzelne Arten wie bspw. dem pH-Wert oder Sauerstoffverfügbarkeit.
Das bevorzugte Habitat ist immer ein Resultat der physiologischen Eigenschaften einer Art, in Wechselwirkung mit biotischen und abiotischen Faktoren. Diese Kenntnisse werden gezielt in der Interpretation mikrobiologischer Labordaten genutzt: So wird Escherichia coli zum Beispiel, aufgrund seines bevorzugten Vorkommens im Darmtrakt von Säugetieren, als direkter Hinweis auf fäkale Verunreinigung interpretiert.

Ein Habitatwechsel mit Folgen
Bei Aspergillus sydowii haben wir es mit einem interessanten Fall einer Art zu tun, die ausgelöst durch einen Habitatwechsel gleichzeitig eine andere biologische Funktion / biologische Nische übernimmt. So gilt Aspergillus sydowii im terrestrischen Milieu als Saprophyt, also als Zersetzer von komplexen organischen Substanzen. Im marinen Habitat wird die Art jedoch zum Parasiten von Korallen der Gattung Gorgonia. Aus dem terrestrischen vermutlich über Bodenerosion eingebracht, gelangen die Sporen von Aspergillus sydowii ins Meer und können dort die Algen infizieren. Eine Infektion ist systemisch und kann neben einer Gewebedegenration und Fehlfunktionen der Polypen, auch zum Absterben der adulten Korallen führen.
Bild 1) Vorderseite einer Aspergillus sydowii Reinkultur auf DG18-Agar. Sieben Tage bei 25 °C inkubiert. Die morphologische Identifizierung läuft dabei in aller Regel über den Nachweis der runden Köpfchen sowie dem charakteristischen Delft-Blauen Farbton ab. Bei manchen Nährmedien-Herstellern kann dieser Farbton, aufgrund anderer Spurenelemente, mit einem leichten Braunton versetzt sein. Zentral in der Mitte wird ein wenig Luftmyzel gebildet. Der Weiße Ring um die Kolonie drum herum entsteht durch unreife Sporenträger.
Bild 2) Vorderseite einer Aspergillus sydowii Reinkultur für sieben Tage auf MEA-Agar inkubiert. Die Kolonie hat auf MEA deutlich mehr Wasser zur Verfügung, wodurch die schon für Cladosporium beschrieben Riefen im Agar gebildet werden (der Wasserentzug lässt den Agar zusammenschrumpfen und Riefen bilden). Auf MEA-Ager bildet Aspergillus sydowii typische Exsudat Tröpfchen, deren genaue Zusammensetzung variieren kann. Hierrüber werden sowohl, Lipide und Zucker als auch andere Sekundärmetabolite (z.B. Mykotoxine) abgeschieden.
Industrieller Nutzen: Enzymproduktion
Im industriellen Sektor findet Aspergillus sydowii unter anderem Einsatz in der Enzymproduktion von Cellulasen und Xylanasen, also den Bestandteilen von Holz. Sowohl Cellulose, als auch Xylose sind komplexe organische Kohlstoffverbindungen deren Zersetzung einen neuen Rohstoff für den Einsatz in anderen biotechnologischen Verfahren liefert.
Taxonomie:
Aspergillus sydowii wurde erstmals 1913 von Bainier & Sartory als Sterigmatocystis sydowii beschrieben, erhielt aber 1926 seinen heutigen Namen durch Thom & Church im Rahmen einer Neubewertung der Gattung Aspergillus (Quelle mycobank.org Stand 05.2025). Inzwischen sind neben der Kernart noch drei weitere Variationen bekannt: var. achlamydosporus, var. agrae und var. major.
Lange Zeit galt die Art Aspergillus sydowii, innerhalb der bis zu 17 Arten umfassende Gruppe der Aspergillus Sektion Versicolores, als die einzige Art die wirklich zuverlässig anhand morphologischer Daten, von den anderen zu differenzieren war. Grund hierfür ist das charakteristische Delft-Blau der reifen Konidiosporen in Kombination mit den bernsteinfarbenen Exsudaten. Neue physiologische und molekulare Daten aus dem Jahr 2022 legen jedoch nahe, dass es nur vier Arten innerhalb der Sektion Versicolores gibt. Hierzu zählen Aspergillus versicolor, Asp. creber, Asp. sydowii und Asp. subversicolor. Ob diese sich besser morphologisch untereinander unterscheiden lassen, muss noch geklärt werden. Vor allem gilt es hinreichend zu klären, was in der Routineanalytik möglich ist und was theoretisch machbar wäre.
Routineanalytik:
In der Routineanalytik zählt die Art Aspergillus sydowii sicherlich zu den angenehmeren Pilzen in der Laborarbeit. Die charakteristische Färbung in Kombination mit den vergleichsweisen großen Köpfchen und der klar umrissenen Koloniestruktur, machen eine Identifikation selbst auf stark bewachsenen Nährmedien (> 80 KBE/Platte) möglich. Es ist erstaunlich, dass sich eigentlich alle Vertreter der Sektion Versicolores auch unter hohem Konkurrenzdruck zumindest ein klein wenig durchsetzen können. Auch unter Konkurrenzdruck, z. B. durch Trichoderma oder Cladosporium, sind oft noch einzelne Köpfchen sichtbar. Dennoch gilt: Der Nachweis einzelner Köpfchen ist für eine sichere Artbestimmung nicht ausreichend.
Die Schimmelpilzart Aspergillus sydowii ist weltweit verbreitet und wurde bis dato in einer Vielzahl von Habitaten und auf verschiedensten Substraten nachgewiesen. Neben dem hier relevanten Innenraumschäden zählen dazu auch Lebensmittel, medizinisch genutzte Geräte, hypersaline, marine und terrestrische Habitate. Aber Vorsicht, der Nachweis erfolgt mittlerweile häufig über molekulare Verfahren, die jedoch zunächst keinen Schluss darüber zulassen wie gut eine Schimmelpilzart im jeweiligen Milieu leben kann. Hierfür sind nach wie vor physiologische Tests notwendig. Innenraumrelevanz: Feuchtigkeit als Schlüssel Im Fachbereich der mikrobiellen Innenraumschäden spielt Aspergillus sydowii allerdings sehr wohl eine wichtige und bekannte Rolle. Mit einem beschriebenen aW-Wert von ca. 0,8 gehört die Art und auch die gesamte Sektion Versicolores, zu den klassischen Feuchtigkeitsindikatoren in Innenräumen (Schimmelleitfaden vom Umweltbundesamt). Das heißt ein erhöhter Nachweis von Aspergillus sydowii steht häufig in direktem Zusammenhang mit feuchtem Material. Dabei deutet der aW-Wert von 0,8 daraufhin, dass es mit einer bevorzugten relativen Feuchtigkeit von 80% auf der Oberfläche / dem Material auch nicht tropfnass sein darf. Dank der sehr gut flugfähigen Konidiosporen zählt die Art Aspergillus sydowii sowohl in Impaktionsproben, als auch in Materialproben zu den regelmäßig nachgewiesenen Arten. Der häufige Nachweis von Aspergillus sydowii in Lüftungsanlagen deutet zudem darauf hin, dass die Art kein Problem mit Zugluft hat.
Medizinische Relevanz
Gemäß TRBA 460 (2016:07) ist die Schimmelpilzart Aspergillus sydowii in der biologischen Risikogruppe 1 eingestuft. Allerdings wird in der TRBA 460 auf eine abweichende Gefährdung für Menschen nach Organspenden, sowie ein hohes allergenes Potential hingewiesen. Gemäß dem Atlas of Clinical Fungi (4th Ed. 2020) wird Aspergillus sydowii vereinzelt in Zusammenhang mit einer klinischen Prävalenz festgestellt. Bis dato wurde ausschließlich bei immunsupremierten Menschen in sehr seltenen Fällen eine Infektion von Organen nachgewiesen. Aufgrund der immensen Sporenproduktion und deren leichte luftgängigkeit sind allergische Effekte bei einem größeren Aspergillus sydowii Befall jedoch nicht auszuschließen.

Lichtmikroskopische Aufnahme
Lichtmikroskopische Aufnahme von Aspergillus sydowii bei 400-facher Vergrößerung (plus nachträglich digitale Vergrößerung). Zu erkennen ist ein vesikel-tragendes Köpfchen (rechts im Bild) und ein Sporenträger mit reduziertem Vesikel (etwas weiter links im Bild). Überall im Bild sind die zum Teil sehr langen Sporenketten verteilt. Hierbei handelt es sich um sehr instabile Strukturen, die schnell zerfallen und deren Nachweis in mikroskopischen Proben auf einen Sporenquelle im nahen Umfeld hinweisen kann.
Tipp: Bei einem sehr starken Aspergillus Befall lohnt sich ggfs. zwei Klebepräparate von ein und der selben Stelle zu entnehmen, da man beim ersten Präparat Gefahr läuft nur Sporen auf dem Klebestreifen zu haben.

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme
Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Aspergillus sydowii mit Gold besputtert bei etwa 2741-facher Vergrößerung. Maßstabsbalken und rechts im Bild zeigt 20µm an. Zentral im Bild ist der Vesikel samt biseriaten Phialiden an deren Ende die Konidiosporen gebildet werden, die aber im gezeigten Bild präparationsbedingt fehlen. Deutlich kleiner darüber und typisch für die Sektion Aspergillus versicolores ist ein penicilliumartiger Sporenträger ohne Vesikel. Die Phialiden stehen hierbei auf einem stark reduzierten Vesikel, sodass es den Anschein hat, dies würde gänzlich fehlen. Als direkte Konsequenz ist der gesamte Sporenträger deutlich kleiner und umfasst wesentlich weniger Phialiden.
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