Wissen, was drin ist:

Schimmelpilz Pseudogymnoascus pannorum

Pseudogymnoascus pannorum
21.8.2025

Extreme Eigenschaften für extreme Forschung

Um den Titel Modellorganismus zu erhalten, bedarf es entweder eines glücklichen Zufalls (siehe hierzu den Artikel zu Penicillium chrysogenum) oder einiger physiologischer Besonderheiten, die in der Natur vergleichsweise selten zu beobachten sind. Im Fall von Pseudogymnoascus pannorum trifft letzteres zu. Dieser psychrotolerante Schimmelpilz ist sogar in der Lage bei Temperaturen unterhalb von 0°C zu wachsen. Dies deutet auf ein paar wichtige und bemerkenswerte physiologische Eigenschaften hin.

Allen voran stehen dabei zwei Dinge. Zum einen muss gewährleistet sein, dass der Wasseranteil im Zytoplasma bei derart niedrigen Temperaturen nicht gefriert und die Zellen durch die Eiskristalle zerstört. Zum anderen benötigen psychrotolerante Organismen spezielle Enzyme, die eine Stoffwechselaktivität auch bei derart niedrigen Temperaturen ermöglichen. Wie vielleicht noch aus dem Biologie-Unterricht bekannt, ist die Stoffwechselaktivität / -geschwindigkeit (Katabolismus und Anabolismus) direkt von der Umgebungstemperatur abhängig. Eine Entkopplung bedarf immer der Einwirkung von Enzymen unter Einsatz von Energie. Da einige vitale Stämme im antarktischen Eis, auf Höhlenmalereien oder in Bergwerkstollen gefunden wurden, scheint der Kälteschutz von Pseudogymnoascus pannorum ziemlich gut zu funktionieren.

Aufgrund der beschriebenen Eigenschaften gilt Pseudogymnoascus pannorum als einer der „extremotoleranten“ Mikroorganismen und genießt damit ein besonderes Ansehen in verschiedensten Forschungsprojekten. So wurden bereits einige der Kälte-Enzyme (spezielle Lipasen und Proteasen) identifiziert, genauso wie melaninähnliche Substanzen und Trehalose, die als Detergenzien das Einfrieren vom Zytoplasma verhindern.

In der Biotechnologie werden die bereits bekannten Enzyme und Stoffe isoliert und zum Beispiel als Additive in Waschmitteln untersucht. Dort erlauben sie den energieschonenden und gleichzeitig effizienten Einsatz von 30°C Waschgängen. Die Lebensmittelindustrie ist vor allem an Enzymen interessiert, die bei kalten Lagerungen eine Umsetzung von Stoffwechselprodukten ermöglichen. Hieraus können sich besonders schonenden Lebensmittelverarbeitungen ableiten. Zum anderen stellen psychrotolerante Mikroorganismen aber auch eine besondere Gefahr für die Hygiene in Kühlketten von Lebensmitteln dar, weswegen ein Verständnis der zellinternen Prozesse zu einem verbesserten Lebensmittelschutz führen kann. Nicht zuletzt sind psychrotolerante Mikroorganismen bei der bereits erwähnten Bioremediation relevant (siehe Artikel zu Cladosporium sphaerospermum). Hierbei handelt es sich um den gezielten Abbau von Schadstoffen in der Umwelt durch den Einsatz von Mikroorganismen. Da die wirtschaftliche Exploration des Menschen auch kalte Regionen des Planeten betrifft, werden psychrotolerante Mikroorganismen in diesen Regionen zur Bioremediation benötigt.

Als sicherlich nennenswerte Schattenseite dieses Schimmelpilzes ist der regelmäßige Nachweis in Archiven und Museen zu nennen. Die kalte Lagerung von Kunstobjekten und Akten zur möglichst langen Konservierung scheint ideale Bedingungen für Pseudogymnoascus pannorum zu bieten und birgt damit aber die Gefahr irreversiblen Schäden an kostbaren Werken. Hier empfiehlt sich eine routinemäßige und non-invasive Oberflächen-Beprobung mittels Klebefilmpräparaten gemäß VDI 4300 Blatt 13 (derzeit noch im Entwurf; Stand 11.2025) um eine frühzeitigen Nachweis und rechtzeitige Maßnahmen sicherzustellen.

Taxonomie:

Wie so häufig der Fall, spielten bei der Namensgebung von Pseudogymnoascus pannorum physiologische und morphologischen Kriterien eine entscheidende Rolle. Seit 2013 unter diesem Namen bekannt (beschrieben durch Minnis und Lindner in Fungal Biology 117) führte auch hier eine molekulare Revision der Schimmelpilz Gattung Geomyces zur Neubenennung dieser Art. Von 1976 bis 2013 wurde die Art unter dem Namen Geomyces pannorum geführt. Wobei die Gattung Geomyces damals scheinbar als Sammelbecken für alle psychrotoleranten (kälteliebenden) Schimmelpilze diente. Erstmals in einer wissenschaftlichen Publikation wurde die Art 1824 unter dem Namen Sporotrichum pannorum beschrieben.

Die Namensbestandteile leiten sich aus dem griechischen ab. Die Silben pseudes stehen dabei für „unecht“, gymnos für „nackt“ und askos für „Schlauch“. Die beiden letzten Bestandteile gymnos und askos beziehen sich direkt auf morphologische Merkmale. Die Ascomyceten, zu denen Pseudogynmoascus pannorum zählt, werden auch weithin als Schlauchpilze bezeichnet, da die Ascosporen (sexuelle Sporen nach Mitose und Meiose) in einem langen Schlauch entstehen. Die Ergänzung mit „nackt“ kann darauf hindeuten, dass die Sporenproduktion bei Pseudogymnoascus pannorum weitestgehend schlicht ist und es keine aufwendigen Sporenträger oder Fruchtkörper gibt.

Die Herleitung für das Art-Epitheton pannorum (lat. = Tücher oder Stoffe) ist nicht so zweifelsfrei möglich. Hier gibt es unterschiedliche Aussagen, die sich zum einen darauf beziehen könnten, dass die Kolonie lappenartig wächst oder aber, dass vermehrt Stämme von Kleidungsstücken isoliert wurden. Beide Angaben lassen sich nach laborinternen Erkenntnissen nicht verifizieren.

Routineanalytik:

In der Routineanalytik zählt die Art Pseudogymnoascus pannorum zwar nicht zu den eindeutig anerkannten Feuchtigkeitsindikatoren in Innenräumen (UBA Schimmelleitfaden 2024), mit einem aW-Wert von bis zu 0,89 (Food and Indoor Fungi 3rd Ed.) ist aber dennoch davon auszugehen, dass ein Nachweis in Zusammenhang mit erhöhter Feuchtigkeit stehen kann. Da einige Stämme sogar noch unter 0°C ein schwaches Wachstum aufweisen (optimal 10 - 15°C), ist durchaus denkbar, dass gerade bei Feuchteschäden in kalten Räumen ein vermehrter Nachweis stattfindet (bspw. in Kellerräumen). Unter diesen Bedingungen besitzt Pseudogymnoascus pannorum vermutlich einen physiologischen Vorteil gegenüber anderen Schimmelpilzen, die höhere Temperaturen fürs Wachstum bevorzugen. Für die Laboranalytik entsteht genau aus diesem Kontext ein entscheidender Faktor, der bei der Auswertung von Proben zu berücksichtigen ist.

Um quantitative (Anzahl der koloniebildenden Einheiten) und qualitative (Arten- und Gattungsspektrum) Minderbefunde zu vermeiden, müssen möglichst alle kultivierbaren Schimmelpilze bei der Auswertung erfasst werden. Bei den normativ vorgeschriebenen 25 ±3°C (DIN ISO 16000-17:2010-06) für die Inkubation, werden psychrotolerante Schimmelpilze jedoch systematisch benachteiligt, was zu Minderbefunden führen kann. Insbesondere bei stark belegten Nährmedien (> 100 KBE/Platte; DIN ISO 16000-17:2010-06) kann dies der Fall sein und sollte seitens der Auftraggebenden bei der Interpretation von Labordaten stets berücksichtigt werden. Laborseitig lässt sich dem nur schlecht entgegenwirken, da zu einem Zeitpunkt an dem die Kolonien noch recht klein sind, sich diese zwar gut zählen aber nicht zweifelsfrei identifizieren lassen. Daher spielt eine fachkundige Probenahme-Strategie eine wichtige Rolle um der Überbelegung von Proben vorzubeugen. Deswegen sollte das Probenahmevolumen niemals als fixe Größe angesehen, sondern situativ angepasst werden. Hierbei beraten die Labore häufig projektspezifisch. Bei Verdacht kann es ratsam sein, gemeinsam mit dem Partnerlabor eine gezielte Inkubation von psychrotoleranten Schimmelpilzen bei 10 – 15 °C durchzuführen (bedingt zusätzliche Impaktionsmessungen).

Für die Beurteilung von Innenraumschäden relevant, sind nicht zuletzt auch die Materialien, auf denen Pseudogymnoascus pannorum nachzuweisen ist. Hier finden sich in den einschlägigen Werken (Mycobank.org (Stand 11.2025) und dem Food and Indoor Fungi (3rd Ed. 2025) zahlreiche, sehr unterschiedliche Angaben. Diese lassen sich wohl am ehesten mit einer Präferenz von Pflanzen, Bodenproben, Stoffresten und auch Papierfragmenten zusammenfassen. Klassische Baumaterialien wie Dämmstoffe oder Putze sind hier bisher nur sehr wenig beschrieben. Aufgrund von Papierfragmenten sind jedoch Tapeten eine mögliche Quelle.

Die beschriebenen Materialquellen scheinen auf einen klassischen Saprophyten auf totem pflanzlichen Material sowie Keratin hinzuweisen. Interessant sind Nachweise von Pseudogymnoascus pannorum auf antiken Gläsern. Es wird vermutet, dass das Wachstum dieses Schimmelpilzes auf Gläsern (Biofilm Bildung) zu einer optischen Trübung führt, welche durch abgeschiedene Säuren (z.B.: Oxalsäure und Citronensäure) ausgelöst wird (Food and Indoor Fungi 3rd Ed.). Die Festigkeit des Glases ist hiervon nicht beeinflusst.

Medizinische Relevanz:

Nach aktuellem Kenntnisstand ist im Fall von Pseudogymnoascus pannorum von keiner relevanten medizinischen Prävalenz auszugehen. Weder finden sich im aktuellen Atlas of clinical Fungi (4th Edition 2020) noch in der TRBA 460 (2016:07) Angaben zu untersuchten und bekannten Effekten dieser Schimmelpilzart auf den Menschen. Lediglich im Food and Indoor Fungi (3rd Ed.) wird auf ein Nachweis von Pseudogymnoascus pannorum bei oberflächlichen Infektionen von Haut und Nägeln bei Menschen verwiesen. Hierbei ist jedoch unklar ob sich diese Angaben ggfs. auf Pseudogymnoascus destructans einer nah verwandten Art, beziehen (siehe hierzu Erreger des Weiß-Nasen Syndroms bei Fledermäusen).

Pseudogymnoascus pannorum
21.8.2025

Übersicht und Vorderseite auf Reinkultur

Bild 1) Übersicht von drei Pseudogymnoascus pannorum Reinkulturen auf DG18-Agar die für sieben Tage bei 25 °C inkubiert wurde. Die Kolonien sind vergleichsweise klein und weisen eine leichte Gelbfärbung auf. Es findet ein hefeartiges Wachstum statt. Nur im Zentrum der Kolonien werden leicht abgehobenen Myzelstränge zu Synnemata zusammengefasst, an denen vereinzelte Sporen gebildet werden.

Bild 2) Vorderseite einer Pseudogymnoascus pannorum Reinkultur die für sieben Tage auf MEA-Agar inkubiert wurde. Die Kolonie ist etwas größer als auf DG18 und zeigt zudem einen stärkere Myzel und Sporen Bildungen im Zentrum der Kolonie. Insgesamt wächst die Kolonie in verschiedenen Gelbtönen und zeigt am Rand ein hefeartiges Wachstum.

Nahaufnahme einer Pseudogymnoascus pannorum Kultur an 10 Tagen auf MEA-Agar
21.8.2025

3. Nahaufnahme an 10 Tagen auf MEA-Agar

Nahaufnahme einer Pseudogymnoascus pannorum Kultur an 10 Tagen auf MEA-Agar. Die vereinzelten Synnemata sind leicht gelblich zu erkennen. Von den Synnemata zweigen sich seitlich zahlreiche kleine Sporenträger ab.

Detailaufnahme der Synnemata in der Koloniemitte einer Pseudogymnoascus pannorum Kultur nach zehn Tagen auf MEA-Agar.
21.8.2025

4. Detailaufnahme der Synnemata in der Koloniemitte nach zehn Tagen auf MEA-Agar.

Detailaufnahme der Synnemata in der Koloniemitte einer Pseudogymnoascus pannorum Kultur nach zehn Tagen auf MEA-Agar. An den Enden der Sporenträger sind deutliche Verdickungen zu erkennen, die auf die typische Form der Sporenträger hinweisen, wie sie im Lichtmikroskop sichtbar wird.

Lichtmikroskopische Aufnahme von Pseudogymnoascus pannorum bei 400-facher Vergrößerung
21.8.2025

5. Lichtmikroskopische Aufnahme von bei 400-facher Vergrößerung

Lichtmikroskopische Aufnahme von Pseudogymnoascus pannorum bei 400-facher Vergrößerung. Im Fall von Pseudogymnoascus pannorum sind die „Sporenträger“ eigentlich fertile Myzelstränge, die sich an den jeweiligen Enden verzweigen und in regelmäßigen Abständen keimfähige Sporen abschnüren. Dies wird auch als Arthrokonidium bezeichnet. Dabei können kurze Ketten von 2 – 4 Arthrokonidien entstehen. Die verbindenden Myzelstücke bilden sich bei alten Kulturen bzw. bei freigesetzten Sporen zurück.

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Pseudogymnoascus pannorum mit Gold besputtert
21.8.2025

6. Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme mit Gold besputtert

Rasterelektronen mikroskopische Aufnahme von Pseudogymnoascus pannorum mit Gold besputtert. Maßstabsbalken und rechts im Bild zeigt 5µm an. Die Gesamtstruktur (Arthrokonidium) umfasst somit ca. 25 – 30µm. Zu sehen ist ein einzelnes Arthrokonidium mit zahlreichen Verzweigungen. Die Myzelstränge weisen immer wieder Verdickungen auf, aus denen sich im Zuge der Koloniereifung die Arthrokonidien abschnüren. Bei den Dellen auf den Sporen und dem platten Myzelsträngen handelt es sich Präparationsartefakte, bedingt durch Vakuum und Besputterung.

Wollen Sie mehr über Schimmelpilze und unsere Schimmelpilzanalyse erfahren?

Kontaktieren Sie uns unter: moenchengladbach@gba-group.de

Das könnte Sie auch interessieren:

Schimmelpilze

Schimmelpilze

Schimmelpilze – nützlich und gefährlich Schimmelpilze sind überall, sie gehören zu den essentiellen Mikroorganismen …

Mehr
Raumluft

Raumluft

Die Überprüfung der Raumluft hat viele Vorteile: Sie entdecken erste Anzeichen für Schadstoffe in …

VDI 6022

VDI 6022

Hygieneinspektionen von raumlufttechnischen Anlagen (RLT-Anlage / Klimaanlage) gemäß VDI 6022

© 2025 GBA Group

Volg ons

  • linkedIn GBA Group
  • xing
  • gba youtube
  • gba Instagram
ContactPrivacy Juridische informatie Algemene voorwaardenColofon
TelefoonTelefoon
Tel.
Jobs
Jobs